CD Besprechungen:

"Vstavaj - Steh auf!"

Wenn wieder mal

"Vstavaj - Steh auf!"
Die neue CD von Rotdorn

Als Rotdorn bei dem Konzert auf dem Nürnberger Kulturforum der DKP im Februar 2004 ihren Auftritt mit dem Lied "Vstavaj" begannen, berichtete Peter Schenzer, dass es dieses Lied war, das sie wenige Tage vorher in Hamburg anlässlich einer Anti-Nazi-Demo nicht spielen konnten, weil Wasserwerfer ihren Auftritt unterbrachen.

"Vstavaj" - veröffentlicht wenige Tage nach dem Überfall auf die Sowjetunion - wurde zur Hymne des sowjetischen Widerstandes gegen die Barbarei des Hitlerfaschismus im Jahr 1941. Es ist sicher nicht zufällig, dass die neue Rotdorn-CD mit diesem Lied beginnt. Die Symbolik, die sich heute mit diesem Lied verbindet, ist: Steht auf gegen die alltägliche Barbarei des Irak-Krieges, steht auf gegen die Barbarei des Nah-Ost-Konflikts, die im Terror gegen das palästinensische Volk kulminiert! Und - steht auf hierzulande gegen die Zerschlagung des Sozialstaats, gegen Arbeitsplatzvernichtung, Demokratieabbau und Nazis!

Das folgende Lied "Zhamele" steht für mich in direktem Zusammenhang zum ersten. Ein jiddisches Lied über Waisenkinder in den Ghettos - bekannt geworden durch Esther Bejarano - von Rotdorn eindrucksvoll präsentiert durch Sabine Loos.

Bereits bei diesem Lied fällt eine der Stärken des Hamburger Trios auf: nicht alle singen bei allen Lieder gemeinsam, sondern verschiedene Lieder wirken in dem Kontrast, dass sie als Solostücke von Mitgliedern der Gruppe interpretiert werden. Dies trifft auch auf "When I'm gone" von Phil Ochs zu, gesungen von Dirk Wilke. Phil Ochs zählte zu den wichtigsten Folk-Sängern der USA und war in den Sechzigerjahren einer der treibenden Kräfte gegen den Vietnamkrieg. Das neue Album beweist, dass Rotdorn im besten Sinn Globalisierung betreibt - anders gesagt: sie stehen mit ihren Liedern für proletarischen Internationalismus und internationale Solidarität. Allein drei Songs auf der CD sind irischer Abstammung (Back home in Derry/Planxty Irwin/The foggy dew), wobei die Interpretationen hervorragend arrangiert sind - instrumental dominierend ist natürlich die Tin Whistle, gespielt von Sabine Loos. Dazu ein schottisches Lied (Cam ye O'er Frae France), ein italienisches, ein amerikanisches und - ja, auch ein plattdeutsches. Apropos Instrumente: neben den Rotdorn-typischen (Flöten, Gitarren, Bratsche), bereichern Mundharmonika, Percussion, Bass, Banjo und Akkordeon die CD - brillant eingespielt von einigen Mitgliedern der Oma Körner Band.

Für mich ist das Album vor allem deshalb eine große Steigerung zur letzten Rotdorn-CD, weil die Arrangements stimmig sind. Es gibt bei jedem Song den musikalischen roten Faden und kein Song ist instrumental überfrachtet. Zwei Lieder setzen sich mit dem Irak-Krieg auseinander, "Terror in the skies" wurde von David Rovics, einem befreundeten US-Folksänger geschrieben - und das stillere, aber nicht weniger engagierte "Rückkehr" von Peter Schenzer, wo es um die Kriegseinsätze deutscher Soldaten geht. Da sind auch die Partisanen-Lieder, alle drei zum Mitsingen geeignet. Kämpferische, eindrucksvolle Interpretationen von "Partisanen vom Amur" und "Bella Ciao". Und - besonders gut gefällt mir das Partisanenlied, das eigentlich keines ist, nämlich "The Partisan" von Leonhard Cohen. Wer kennt es nicht aus der Räucherstäbchen-Zeit der Siebziger-WGs? Präsentiert in der Rotdorn-Fassung (mit der hellen Stimme von Sabine) erhält es für mich einen neuen, zeitgemäßen Stellenwert.

Wer Rotdorn von Auftritten kennt, weiß, dass das Engagement, welches bei ihren Liedern zum Ausdruck kommt, nicht aufgesetzt oder eingeübt ist. Sabine Loos, Dirk Wilke und Peter Schenzer vermitteln bei ihren Auftritten stets, dass sie mit ihrer Persönlichkeit hinter den Inhalten ihrer Lieder stehen - egal, ob bei einem Auftritt bei der DKP oder bei der Gründung eines Sozialforums in Hamburg.

Ihr Name ist richtig gewählt. Der "Rotdorn" ist für sie Programm, Aktion und Lebensinhalt zugleich.

UZ - Zeitung der DKP 20. August 2004 / www.dkp-online.de/uz/3634/s1303.htm